Juni 2003
Im St. Petrusheim in Weeze am Niederrhein lebte von 1977 bis zu seinem Tode im Jahre 1998 ein geistig erkrankter Mann, den Bewohner und Betreuer stets nur mit dem Vornamen anzusprechen pflegten. Theo, ein wortkarger älterer Sonderling, der einzig durch stundenlange Spaziergänge und eine rege Zeichentätigkeit Aufmerksamkeit erregte. 1983 entdeckte der Pflegepraktikant Robert Küppers das künstlerisch ausdrucksstarke Zeichentalent des als „schwachsinnig“ geltenden Menschen. Ihm gelang es, einen Teilbestand des Oeuvres zu retten und Bilder von Theo in der internationalen Kunstszene zu placieren. Nur 5 Jahre nach seinem Tode sind Theos Arbeiten in den bedeutendsten internationalen Art brut-Sammlungen vertreten. Die in Schloß Moyland vom 09. Februar bis 27. April 2003 ausgestellten Arbeiten bilden das Spätwerk des Künstlers, das zwischen 1978 und 1996 entstand.
In einer umfassenden Retrospektive mit über 150 Papierarbeiten hat das Museum Schloss Moyland nun erstmals das meisterhafte künstlerische Werk des „Außenseiters“ gewürdigt. Detailfreudig spiegeln Theos Bilder eine dörfliche Lebenswelt, die noch wesentlich von Mythos und Religion geprägt ist. Märchenmotive, Evangelienszenen und Heiligendarstellungen wechseln sich ab mit Portraits berühmter historischer Persönlichkeiten. Im Zentrum stehen hierbei Hitler und jene Serie der „Männer des 3.3.3. Reiches“, die Theo in zwanghaft anmutender Weise ca. 800 Mal auf Zeichenpapier zu bannen versuchte.
Aufgrund seiner Erkrankung zählte Theo im Dritten Reich zum existentiell gefährdeten Personenkreis, nur durch glückliche Umstände entging er der Euthanasie. Geprägt von Furcht und Faszination, legen Theos Hitlerbilder das vielschichtige Verhältnis des geistig erkrankten Opfers zu den Täterfiguren der NS-Zeit frei.
——
Am 12. Juli 1918 wird Theodor Wagemann (Theo) als jüngstes von 5 Kindern einer Familie in Venwegen (Stollberg, Kreis Aachen) geboren. Der Vater, ein gelernter Steinhauer, betreibt im Dorf eine Gastwirtschaft. Zwischen 1933 und 1945, in der Zeit des Dritten Reiches, wird Theodor Wagemann nach Angaben seiner Familie verschleppt und zwangssterilisiert. Nur durch die Intervention eines Arztes entgeht er der Euthanasie und kehrt schließlich zurück zur Familie, unter deren Schutz er die NS-Zeit überlebt hat. Nach dem Tod des Vaters 1960 und dem Tod der Mutter 1963 lebt Theo mit seinem Bruder weiterhin im elterlichen Haus. Von 1964 bis 1965 durchlebt Theodor Wagemann einen längeren Aufenthalt im Landeskrankenhaus Düren. Nach der Entlassung aus dem psychiatrischen Krankenhaus wohnt Theo nun bis 1977, bis zum Tod seiner ältesten Schwester mit ihr zusammen in seinem Heimatort Venwegen. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Altenheim in Blankenheim in der Eifel erfolgt schließlich seine Einweisung in das St. Petrusheim in Weeze am Niederrhein. Allem Anschein nach beginnt erst hier, 1977, seine intensive zeichnerische Tätigkeit. 1983 begegnet der Sozialpraktikant Robert Küppers dem wortkargen Sonderling. Nun beginnt eine freundschaftliche Beziehung mit der Folge, dass Küppers beginnt, die Kunstwerke von Theo zu sammeln. Aufgrund körperlicher Schwäche erfolgt 1996 abrupt der Abbruch aller zeichnerischen Tätigkeiten von Theodor Wagemann. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten von 1997 bis 1998 stirbt Theo am 03. Mai 1998 im Alter von 79 Jahren in einem Krankenhaus in Kevelaer. Dieser ungewöhnlich große Künstler findet seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof des St. Petrusheimes in Weeze.
——
Diese und alle Informationen sowie das Bildmaterial stammen dankenswerter Weise von Herrn Steffen Almstadt, Leiter der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit „Stiftung Museum Schloß Moyland“, Sammlung Van der Grinten, Joseph Beuys Archiv des Landes Nordrhein-Westfalen, Postfach 1259, 47548 Bedburg-Hau, Telefon 02824/9510-0, Fax 02824/9510-99, presse@moyland.de, www.moyland.de
Die Ausstellung wird vom 25.05.03 bis 07.08.03 im Kunstmuseum, Kartause Ittlingen in Warth (CH), Kanton Thurgau zu sehen sein.
*Der Autor ist Fachreferent der Arbeitsstelle
Artikel als PDF ansehen →Pfarrer
Seelsorge & Begegnung
Loreleystr. 7
50677 Köln
Fon: 0221 / 3766327
Fax: 0221 / 3766339
Kontaktformular
www.seelsorge-und-begegnung.de
Büro: Regina Henke
Mo – Fr 10 – 12 Uhr