In der ersten Heftausgabe von „Behinderung & Pastoral“ wurde bereits dargelegt, welche Überlegungen und welche Wege in der gemeindlichen Arbeit dazu beigetragen haben, eine integrative Gemeinde mit Hörgeschädigten in Köln aufzubauen. An dieser Stelle nun soll der Fortgang dieser Entwicklung an den Beispielen der Sakramenten- Vorbereitung Erstkommunion und Firmung sowie an der Gestaltung der Gottesdienste an den Kar- und Ostertagen vertiefend deutlich gemacht werden.
Eine weitere Möglichkeit, lebensbedingte Integration der Familie auf das Gemeindeleben zu übertragen, waren die besonderen Festtage der Erstkommunion und der Firmung. So ist es in St. Georg seit 1994 üblich, dass hörende und nichthörende Kinder gemeinsam das Fest ihrer Erstkommunion oder Firmung feiern und zuvor auch gemeinsam darauf vorbereitet werden. Die individuelle Vorbereitung in Gruppen von Gehörlosen und Schwerhörigen geschieht im wöchentlichen Unterricht in der Hörgeschädigten-Schule; die hörenden Kinder werden in der Gemeinde vorbereitet. Den gemeinsamen Punkt dieser Vorbereitung bildet der einmal monatlich stattfindende Intensivtag in den Räumen der Gehörlosenseelsorge. Für diesen Intensivtag stehen etwa vier Stunden am Vormittag zur Verfügung, an denen die Kinder gemeinsam religiöse Themen erarbeiten. Die Gehörlosenseelsorger bilden zusammen mit den Religionslehrerinnen der Schule ein Team, das diesen Vorbereitungstag gestaltet. Hier lernen sich die Kinder bzw. Jugendlichen untereinander kennen (Gemeinschaftsaspekt); und hier wird immer wieder das inzwischen Erlernte auf einen gemeinsamen Nenner gebracht (katechetischer Aspekt).
Nach dem Muster der normalen Familiensituation, in der Gehörlose und Hörende miteinander zusammen sind, wie wir sie im letzten Heft geschildert haben, schaffen wir auch hier eine ganz normale Begegnungssituation, wie sie auch im Mütter-Kind-Kreis vorliegt. Die gemeinsame Vorbereitung an den Intensivtagen wird bestimmt von Handlungsorientierung, Visualisierung und Erlebnisnähe zum Erfahrungshorizont der Kinder. Adressatenbezogenheit und die vielfältigen methodischen Wege der inneren Differenzierung sind weitere pädagogische Gesichtspunkte, die die Vorbereitung und Gestaltung eines solchen Intensivtages ausmachen. Durch sie wird auch den hörenden Kindern geholfen, vieles leichter zu verstehen. Diese Form schadet ihnen nicht, und sie unterfordert die Kinder und Jugendlichen auch nicht, sofern nur die Mittel und Wege der Binnendifferenzierung voll genutzt werden. Sie hilft vieles Abstrakte der religiösen Thematik auch für die Hörenden leichter zugänglich zu machen.
Die Feier des Gottesdienstes in der Kirche schließlich baut auf dieser Art der Vorbereitung auf und führt auch die hörende Gemeinde behutsam an das integrierte Feiern von Gottesdiensten heran. In diese kind- und jugendgemäß gestalteten Festgottesdienste fließen die methodischen Elemente des sonderpädagogischen Arbeitens, die schon die Katechese prägten, mit hinein. Diese Form der Gestaltung genießen auch die hörenden Besucher des Gottesdienstes. Vieles von dem, was früher schon ganz klar und oft gehört war, wird nun in neuem Licht gesehen, neu zugänglich, anschaulich und berührt den einzelnen neu. Bei den großen Festgottesdiensten zu Erstkommunion und Firmung wird so im Idealfall die Gemeinde zur „Familie“, und zwar unter vergleichbaren formalen Bedingungen wie die eingangs beschriebene Familie in ihrer Primärsituation, nämlich als Gemeinschaft hörender und hörgeschädigter Menschen. So wächst die Gemeinde langsam zusammen und wird nicht künstlich zueinander gezwungen.
Die Feier besonders der Erstkommunion, aber auch der Firmung, ist von hohem emotionalem Gehalt. Daher war die positive Reaktion sowohl auf Seiten der hörenden wie der hörgeschädigten Gemeinde ein eminent wichtiges Ergebnis. Die Hörenden sagten: “Die Messgestaltung ist ja einfach schön! Das gefällt uns auch.”, oder: “Die Übersetzung in Gebärdensprache stört ja eigentlich kaum.”, oder: “Die Hörgeschädigten sind ja eigentlich ganz normal.” Aber auch auf Seiten der Hörgeschädigten zeigte sich eine Reaktion, die zu weiteren Schritten der integrativen Zusammenführung ermutigte: “Wir sind ja ganz normal mit dabei.”, war eine häufig gehörte Äußerung. “Die hörende Gemeinde tut das für uns, sie akzeptiert uns!”, und: “Dass wir manches nicht mitmachen können, z. B. die Lieder, stört eigentlich nicht. Wir fühlen uns hier zuhause.“
Ermutigt auch durch die guten Erfahrungen mit den Adventsgottesdiensten und dem Krippengang wurde des weiteren die integrative Gestaltung der Kar- und Osterliturgie in Angriff genommen. Nach den im letzten Heft umrissenen Prinzipien wurden die Hauptgottesdienste von Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag und Osternacht vorbereitet. Dabei zeigt sich die vielfältige Nutzbarkeit der romanischen Kirche St. Georg: Außer dem Kirchenraum um den Hauptaltar werden Vorhalle, Westchor und Krypta in je unterschiedlicher Weise genutzt. Prozessionen verbinden die liturgischen Abschnitte innerhalb eines Gottesdienstes; Projektionen auf Großleinwand im gesamten Hochchor unterstützen visualisierend verschiedene Schriftlesungen (Osternacht) oder schaffen den emotionalen Brückenschlag zwischen einzelnen Teilen der Liturgie am Gründonnerstag oder Karfreitag. Dramatisierende Elemente wie die große Kreuzenthüllung und das Eindecken des Altares mit diesen selben Kreuztüchern am Karfreitag oder die breit entfaltete Licht- und Klangchoreographie zum Gloria in der Osternacht steigern den Erlebnisgehalt der Liturgie der „Heiligen Woche“.
Durch intensives Werben und Bekanntmachen im Vorfeld der Kar- und Ostertage war die Teilnahme an den Gottesdiensten, sowohl in der hörenden wie auch der gehörlosen Gemeinde sehr hoch und die Reaktion entsprechend positiv: Von beiden Seiten wurde insbesondere der Erlebnischarakter der Liturgie hervorgehoben. Das Mittun, das Mitagieren im Gottesdienst war den Hörgeschädigten wie auch den Hörenden besonders wichtig. Ein weiteres Kriterium für die positive Beurteilung war die hohe Verständlichkeit der Gottesdienste und ihrer vermittelten Inhalte. Als besonders wohltuend wurde empfunden, dass die Symbol- und Zeichenhaftigkeit des Gottesdienstes nicht durch Belehrungen und fortwährende Erklärungen gestört wurde.
* Der Autor ist Leiter der Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, Köln
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