Von KARINE WALDSCHMIDT
PORZ. “Wegen der Träume und des Vertrauens, wegen der Zärtlichkeit und der Pfingstrosen wurde ich lebendig”, schreibt Mechthild Miller in einem Gedicht. Und Karin Prinz macht sich Mut mit den Zeilen :Wegen der weißen Gänse auf der Wiese, wegen der Heckenrosen am Wege möchte ich leben.” Beide poetischen Texte entstanden als Antwort auf die Frage ,Warum ich leben möchte” in der – · “Schreibwerkstatt” des Paulushauses. In der Begegnungsstätte treffen sich Menschen, die nach einer psychischen Erkrankung versuchen, im normalen Leben wieder Tritt zu lassen. Der Träger des Paulushauses is.t das Erzbistum.
Geboten . werden neben Seelsorge und Gottesdiensten auch Entspannungs- und Kreativkurse. Die Schreibwerkstatt gehört seit acht Jahren zum Seminarangebot. Am Ende des Semesters findet regelmäßig eine öffentliche Lesung statt. Die Autorengruppe gastierte bereits im Domforum und in mehreren Kirchen.
Zum ersten Mal las man nun im Sozialpsychiatrischen Zentrum CSPZl an der Wilhelmstraße. Auch dort treffen sich psychiatrieerfahrene Menschen: um sich auzutauschen oder ihre Freizeit gemeinsam zu verbringen. Eine Schreibwerkstatt gibt es in Porz nicht, stattdessen aber eine Malwerkstatt, die die Kunsttherapeutin Andrea Harrenkamp betreut.
Die Lesung stand unter dem Motto “Das Leben wagen”. Katja Liedle sorgte an der Gitarre für die musikalische Begleitung. Vorgetragen wurden vor allem Gedichte, aber auch einige kurze Prosatexte. So schilderte etwa Paul Kehren, wie er versucht, mittels seiner stets aufgeräumten Wohnung sein 11″ fragiles psychisches Gleichgewicht zu erhalten. Und Konrad Folkmann stellte Überlegungen an, was Glück für ihn bedeutet. In den Gedichten wiederum dominierten Naturbilder. Auf zarte, anführende Weise gaben die Texte Auskunft über das Lebensgefühl des seelischen Gefährdetseins, das die Autoren miteinander teilen.
Regina Henke leitet die Schreibwerkstatt. „Zu schreiben ist eine Möglichkeit der Selbsthilfe” „ erklärte sie. „Es geht darum, sich die Seele frei zu schreiben. Formale Kriterien spielen keine Rolle. Dass die Texte authentisch sind, ist wichtiger. Jeder Text ist erfahrenes, gelebtes Leben.” Die im Fritz-Perls-Institut ausgebildete Poesietherapeutin arbeitet mit den spielerisch angelegten Methoden des „Kreativen Schreibens”.
Diese besondere Schreibtechnik entstand ursprünglich an amerikanischen Universitäten und wurde in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts von Jürgen vom Scheidt und Lutz von Werder übernommen und an deutsche Sprachbedingungen angepasst. “Bei mir besteht die Gefahr, dass das Schreiben zur Manie wird, wenn ich es allein betreibe”, erzählte Paul Kehren, der nach einem abgebrochenen Theologiestudium, während dem er erkrankte, jetzt als Gärtner arbeitet. ,,In der Schreibwerkstatt finde ich eine goldene Mitte, weil ich es hier als Handwerk erfahre.”
Auch Annegrete Feckler hat schon jahrelange Schreibpraxis. Seit sie 12 Jahre alt ist, führt sie ein Tagebuch: “Ich schreibe mir selbst zum Trost. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, herauszufinden, wie es mir geht. Im Schreiben finde ich oft die Lösung eines Problems.”
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