Ganz schön symbolträchtig: Eine gläserne Schiebetür, hinter der die Treppe nach oben führt. Ich klingele, die Tür summt auf. Oben betrete ich freundliche Räume. Ich bin bei „Seelsorge & Begegnung”, einer Einrichtung des Erzbistums Köln für psychiatrieerfahrene Menschen.
Seelsorge & Begegnung ist in dieser Organisationsform im deutschsprachigen Raum bislang einzigartig. Entstanden ist die Einrichtung vor fünf Jahren, um psychisch kranken Menschen in Köln auch nach dem Klinikaufenthalt einen festen Anlaufpunkt bieten zu können. Nirgends sonst gibt es solch ein konzentriertes seelsorgliches Angebot für chronisch psychisch Kranke.
Karl-Hermann Büsch, katholischer Pfarrer, Psychiatrieseelsorger mit Therapie- und Supervisionsausbildung, leitet die Einrichtung und erklärt ihr Profil: „ Eine psychische Erkrankung führt fast immer zu existenziellen Fragen: Was gibt meinem Leben noch Halt? Hat das, was ich erlebe, einen Sinn? – Viele Betroffene, auch Menschen ohne direkte konfessionelle Bindung erleben die religiöse Dimension dieser Fragen und suchen eine qualifizierte seelsorgliche Begleitung.” Genau diese Begleitung bietet Seelsorge & Begegnung. Dabei steht die Einrichtung, obwohl sie die Menschen nicht nach ihrer Konfessionalität befragt, unverwechselbar in christlicher Tradition. Zum Team der Einrichtung gehört auch ein evangelischer Pfarrer. Das Angebot von Seelsorge & Begegnung ist sehr umfangreich. Neben seelsorglichen Einzelgesprächen gibt es viele Gruppenaktivitäten. Bibelkreise und Gottesdienste gehören ebenso dazu wie Ausflüge, Einkehrtage, Lesungen, Mal-, Tanz- und Schreibkurse.
„Zurzeit nehmen etwa 300 Menschen unser Angebot wahr”, erzählt Büsch. Wichtig ist ihm die Klarstellung: „Wir machen hier keine Möchtegerntherapie. Wir sind keine Konkurrenz zu Psychiatrie und Psychotherapie, sondern ein eigenständiges Angebot mit unverwechselbarem Profil. Unsere Aufgabe im psychiatrischen Netzwerk der Stadt Köln ist eben die Seelsorge. Wir bieten dem, der es wünscht, Raum für religiöse Fragen, religiöses Aufarbeiten und religiöses Erleben .”
Die Motive der Besucher sind sehr unterschiedlich. Carina* lag nach einem Selbstmordversuch im Koma. Als sie wieder erwachte, suchte sie Menschen, mit denen sie über das, was sie in Todesnähe gesehen und erlebt hatte – Licht, Geborgenheit, Spiritualität-, sprechen konnte. Axel* kämpfte wegen seiner Suchterkrankung mit schweren Schuldgefühlen. Strafte Gott ihn für sein „schlechtes” Leben? Gerda* konnte nach einem Psychiatrieaufenthalt nicht in ihren Kirchenchor zurückkehren, denn als sie dort von ihrer Krankheit erzählen wollte, stieß sie auf große Berührungsängste. (•Name von der Redaktion geändert )
„Für viele unserer Besucher ist Seelsorge & Begegnung der einzige Ort, an dem sie ihre gesamte Lebenswirklichkeit angstfrei artikulieren können”, beschreibt Büsch die Bedeutung der Einrichtung: „ Wir sind eine Insel. Auch weil das Angebot völlig freiwillig ist. Wer Seelsorge & Begegnung besucht, braucht dazu keine Überweisung vom Arzt. Wer will, kann einfach kommen.” Ziel des Angebotes ist durchaus Hilfe bei der Lebensbewältigung. „Axel konnte in einem langen menschlichen und religiösen Entwicklungsprozess in eine vertrauende und haltende Gottesbeziehung hinein wachsen”, erzählt Büsch: „Religiosität ist eine große Kraftquelle.”
Manuela Wetzei
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